Bienenberg

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«Ich kann nicht tun, was ich für falsch halte.»

Zum Kinostart von «A Hidden Life»


Eine der Faszinationen täuferischer Geschichte liegt darin, dass sie immer wieder von Menschen berichtet, die um ihrer Überzeugungen und ihres Glaubens willen bereit waren, anders zu handeln, als man dies von ihnen verlangte und als es in ihrer Umgebung gang und gäbe war. Und sie waren bereit, dafür notfalls einen hohen Preis zu bezahlen.

Solche Haltungen haben etwas Beeindruckendes, aber stets auch etwas Ambivalentes: Inwiefern drücken sie in einem positiven Sinne Kompromisslosigkeit, Geradlinigkeit und Glaubwürdigkeit aus, und wo beginnt es zu kippen in Sturheit und Queruliererei, in Dialogunfähigkeit und mangelnde Flexibilität?


Es gibt in der Neuzeit in Europa wenig Epochen, wo Menschen ganz generell, speziell aber christlich und kirchlich engagierte Menschen so existenziell herausgefordert waren, über Anpassung und Widerstand nachzudenken, wie zur Zeit von Nationalsozialismus und Drittem Reich.

Beschämenderweise waren damals – 400 Jahre nach ihrer Entstehung – die meisten täuferisch-mennonitischen Gemeinden im deutschsprachigen Raum nicht (mehr) in der Lage, aus kritischer Distanz zu den Entwicklungen in ihrer eigenen Nation und Gesellschaft friedenskirchliche Alternativen zu formulieren, geschweige denn zu leben... Ausnahmen wie die neu-hutterische Gemeinschaft der Bruderhofbewegung um Emmy und Eberhard Arnold bestätigen hier die Regel...

“A Hidden Life” (Ein verborgenes Leben) von Regisseur Terrence Malick.
Im Bild Hauptdarsteller August Diehl mit Bruno Ganz.
Bildquelle: Pressebilder, Fox Searchlight, CH-Verleih: Disney

Um so dringlicher war und ist es seither die Aufgabe, nach Beispielen (auch) in anderen Kirchen und Gruppierungen Ausschau zu halten, die zur Zeit des Dritten Reiches nicht mit den Wölfen geheult haben – und sich von ihnen für Gegenwart und Zukunft inspirieren zu lassen. Bekannte Schlüsselfiguren in diesem Zusammenhang sind etwa ein Dietrich Bonhoeffer, die Geschwister Scholl oder das Ehepaar Magda und André Trocmé.

Jahrzehntelang habe ich am Theologischen Seminar Bienenberg Ethik unterrichtet, und dabei bildete das Nachdenken über die Biographien und Überzeugungen solcher Menschen einen festen Bestandteil des Kursprogrammes.

Ich erinnere mich, dass dabei jeweils auch ein alter Fernsehfilm mit dem Titel «Der Fall Jägerstätter» (1971) eine wichtige Rolle gespielt hat. Darin wird das Leben des kaum bekannten katholischen Landwirts Franz Jägerstätter (1907–1943) aus Oberösterreich nachgezeichnet, der aufgrund seines Glaubens das Nazi-Regime ablehnt und schliesslich als Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. 

Spannend ist, dass just jetzt, wo erneut globale, nationale und lokale Entwicklungen zunehmend polarisieren und die Menschen herausfordern, Farbe zu bekennen – dass just jetzt also «der Fall Jägerstätter» erneut aufgearbeitet worden ist und als Film in unsere Kinos kommt. «A Hidden Life» (Deutsch: «Ein verborgenes Leben») von Terrence Malick läuft demnächst in den Kinos der Schweiz und Deutschlands an (30.1.), in Frankreich ist er schon seit Mitte Dezember zu sehen. Dass dabei der Film des bekannten US-amerikanischen Regisseurs («A Tree of Life» 2011) auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik seiner eigenen Regierung darstellt, dürfte auf der Hand liegen... 

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Noch habe ich selbst den Film zwar nicht gesehen. Aber es ist zu vermuten und zu hoffen, dass angesichts der aktuellen Debatten innerhalb kirchlicher Kreise um so unterschiedliche Themen wie Nationalismus, Klimawandel, LGBTQ-Agenden, Waffenausfuhr, «Marsch für’s Läbe», Flüchtlingssterben auf dem Mittelmeer etc. durch diesen fast dreistündigen (!) Film das Nachdenken über Chancen und Grenzen, über Notwendigkeit und Gefährdungen von Zivilcourage und «zivilem Ungehorsam» durchaus befruchtet werden könnte.

Hanspeter Jecker



Trailer in Deutsch